Profi-Schiedsrichter Harm Osmers gibt Celler Jung Referee wertvolle Tipps

Besonderer Tag für Jeremy Vögt (14) aus Unterlüß. Der Jung-Schiedsrichter bekam bei einem Fußballspiel in Wohlde Tipps und Unterstützung von Bundesliga Referee Harm Osmers. Der Profi übernahm die Patenschaft für den Nachwuchsmann an der Pfeife. So fiel nach Abpfiff die Kritik des erfahrenen Unparteiischen aus.
Wohlde
Es ist ein kühler und grauer Samstagmittag. Auf dem Sportplatz der FG Wohlde bei Bergen ist ungewöhnlich viel los für ein Jugendfußballspiel der U14. Das Heimteam der SG Nordkreis steht vor einer schwierigen Aufgabe: Das Schlusslicht hat Tabellenführer Bienenbüttel zu Gast. Doch nicht nur bei den jungen Kickern steigt die Aufregung, je näher der Anpfiff rückt. Vor allem für Jeremy Vögt wird es ein ganz besonderer Tag.
38-Jähriger mit viel Erfahrung aus Bundesliga und Länderspielen Der 14-Jährige aus Unterlüß ist erst seit einem halben Jahr Schiedsrichter, die heutige Bezirksliga-Partie sein 21. Einsatz an der Pfeife – er wird sie so schnell nicht vergessen. „Ich war vor dem Spiel nervöser als sonst“, wird er später berichten. Das ist kein Wunder, denn ein prominenter Gast ist diesmal dabei: Harm Osmers. Der 38-jährige Profi-Schiedsrichter mit hunderten Einsätzen in der Bundesliga, 2. Liga und bei Länder und Europacup-Spielen, schaut dem Neuling über die Schulter und gibt ihm Tipps.
Paten unterstützen Schiri Neulinge.
„Profi wird Pate“ heißt die Aktion, die im „Jahr der Schiris“ vom Deutschen FußballBund (DFB) und seinen Landesverbänden ins Leben gerufen wurde und seit diesem Herbst bundesweit Nachwuchs-Referees mit Elite-Schiedsrichtern auf den AmateurPlätzen der Republik zusammenbringt. Ziel ist es, dem Rückzug von Schiedsrichtern aus dem Spielbetrieb entgegenzuwirken, den Neulingen den Rücken zu stärken. „Auch die Unparteiischen im Kreis Celle sind leider seit Jahren wiederholt Ziel von Pöbeleien, Beleidigungen und sogar tätlichen Angriffen“, weiß Celles Schiri-Boss Kai Heuman. „Immer wieder schmeißen hoffnungsvolle Talente hin, weil sie sich das nicht Woche für Woche geben wollen“, sagt der Vorsitzende des Kreisschiedsrichterausschusses. Heuman hat Osmers direkt angesprochen, ob er Lust hätte, die Patenschaft für Jeremy Vögt zu übernehmen. „Und er hat gleich zugesagt“, so der 48-Jährige. Harm Osmers muss in Wohlde viele Autogramme schreiben Osmers ist ein Star seiner Zunft. In Wohlde muss er für etliche Selfies posieren und hat sogar eigene Autogrammkarten dabei, die nach dem Spiel weggehen wie warme Semmeln. Geboren wurde er in Achim bei Bremen, heute lebt Osmers mit seiner Frau und den beiden Kindern (2 und 5) in Hannover. Bis zur A-Jugend spielte er selbst Fußball, die Schiedsrichterprüfung hat er gemacht, da war er kaum älter als Jeremy Vögt jetzt. „Man konnte sein Taschengeld aufbessern und hatte die Möglichkeit, rauszukommen aus der gewohnten Umgebung. Das war spannend und ein wichtiger Schritt beim Erwachsen werden“, blickt Osmers zurück. Hinter der PatenAktion steht er voll und ganz: „Auch ich hatte auf meinem Weg einige Mentoren, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen“,betont er. Noch heute tausche er sich mit seinen ehemaligen Kollegen aus der Bundesliga, Michael Weiner und Florian Meyer (beide 54), regelmäßig aus.
Er sagt Harry Kane und Thomas Müller wo es langgeht In seinem Vollzeitjob an der Pfeife, für densein Arbeitgeber Continental den im Controlling beschäftigten DiplomBetriebswirt freigestellt hat, ist Osmers schon viel herumgekommen: Länderspiel in Moldawien, Champions League bei Arsenal London, Europacup in Trabzon am Schwarzen Meer: „Im Oktober habe ich ein Spiel der Conference League auf den Färöer Inseln geleitet, schon die Anreise über Kopenhagen war abenteuerlich“, erzählt Osmers. Zuletzt stand er in der Bundesliga während der Partie Bayern München gegen Heidenheim auf dem Rasen, sagte Harry Kane und Thomas Müller wo es langgeht.
Am Wochenende geht‘s nach Karlsruhe:
Zweitligaalltag gegen Nürnberg. Osmers ist der FußballBasis treu geblieben Doch aus seinen Anfängen kennt Osmers eben auch die Fußball-Provinz wie im beschaulichen Wohlde, wo sie für eine Bratwurst mit Pommes gerade mal drei Euro kassieren. Auch Osmers lässt sich zwischendurch den Snack aus der Fritteuse schmecken, wechselt ein paar Worte mit Wohldes Vereinsvorsitzendem Horst Witte –mehr Kontakt zur Basis geht nicht. Davon profitiert auch Jeremy Vögt. Der Schüler der Oberschule Hermannsburg hat im März gemeinsam mit Vater Reiner (44) die Schiedsrichterprüfung abgelegt. Bis September hat HSV-Fan Jeremy noch selbst in der U15 der SG Nordkreis gespielt. „Ich habe mit Fußball aufgehört, will mich auf die Schiri-Sache konzentrieren“, sagt der hochaufgeschossene Junge mit der Brille.
Anspruchsvolle Aufgabe für Jeremy Vögt
Gemeinsam mit Osmers hat er vor der Partie den Platz inspiziert, die Tornetze kontrolliert. Nach letzten Hinweisen vom Star-Schiri („Sei Du selbst, lass Dich nicht von außen beeinflussen und zieh Dein Ding durch“) führen sie die Mannschaften gemeinsam aufs Feld. Begrüßung, Seitenwahl, Anpfiff. „Von da an war die Aufregung weg“, erzählt Jeremy Vögt hinterher. Dabei war die Partie anspruchsvoll: Zwei Elfmeter, ein kurzes Gerangel nach einem Foulspiel, Schiedsrichterball, nachdem der Jung-Schiri angeschossen wurde: „Da waren viele knifflige Situationen dabei“, sagt auch Profi Osmers nach dem 6:0 für die Gäste aus Bienenbüttel. Jeremy Vögt bestätigt: „Das war harte Arbeit. Hat aber Spaß gemacht“, sagt er verschwitzt und sieht dabei etwas müde, aber glücklich aus.
Kollegen-Lob vom gestandenen Profi.
Und was hält der Profi von seinem Schützling? Bei der „Manöverkritik“ in der engen Wohlder Schiedsrichterkabine klopft Harm Osmers dem jungen Kollegen auf die Schulter: „Plausible Entscheidungen, gutes Stellungsspiel, klare Zeichengebung, immer auf Höhe des Spielgeschehens – du kannst sehr stolz nach Hause fahren, Jeremy“, lobt Osmers. Einziger Kritikpunkt: Die vorgeschriebene Entfernung der Mauer von 9,15 Meter bei Freistößen passte manchmal nicht so ganz. „Aber da kriegt man ein Gefühl für“, versichert Osmers. Bei ihm reifte die Entscheidung, sein Geld als Profi Schiedsrichter zu verdienen, übrigens erst „so mit 22, 23“. Für Jeremy Vögt steht jetzt schon fest: „Ich will irgendwann in der Bundesliga pfeifen.“
Bericht Cellesche Zeitung vom 20.11.2023
Von Heiko Hartung
